Zum dritten Mal fanden im Oktober/November die Tage der jüdischen Kultur im Vogtlandkreis statt. Diesmal gab es dazu auch Veranstaltungen in Falkenstein.
Am 05.11. konnte man sich im Bürgersaal auf die Suche nach jüdischen Spuren in der Stadt begeben. Nachdem Stadtarchivar Ralph Ide über jüdische Falkensteiner und deren Leben in der Stadt informiert hatte, stellten Jugendliche aus der Trützschler-Oberschule ihr Geschichtsprojekt über Alfred Roßner vor. Roßner war zwar kein Jude, aber seine Geschichte ist eng mit jüdischer Geschichte verbunden. Er, ein Falkensteiner, wurde als Textilunternehmer im polnischen Ghetto Będzin tätig. Er übernahm eine arisierte Firma und ließ dort – selbst im Dienst der SS stehend – von jüdischen Arbeitskräften Wehrmachtsuniformen herstellen. Die Kriegswichtigkeit seiner Produktion verschaffte ihm einige Handlungsspielräume, die er nutzte, um seinen jüdischen Angestellten das Dasein zu erleichtern, sogar manchmal das Leben zu retten. Er bezahlte dafür mit seinem eigenen Leben, denn seine Hilfsaktionen erregten den Verdacht der Gestapo. Roßner kam in Haft und überlebte das nicht. Posthum wurde er – auf Initiative von ihm geretteter Juden – Jahrzehnte später durch die israelische Holocaust-/Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem als GERECHTER UNTER DEN VÖLKERN geehrt. Diese Würdigung wurde bisher 28 217 Menschen, darunter nur 651 Deutschen, zuteil, die ohne Gegenleistung und unter Gefahr für das eigene Leben Juden geholfen haben.
Anja Blechschmidt, Initiatorin der aktuellen Stolperstein-Verlegungen in Falkenstein, informierte anschließend über diese besondere Art der Erinnerungskultur sowie über die Schicksale von Falkensteinern, derer durch die Stolpersteine gedacht wird. Zu eben diesen Stolpersteinen kommen wir gleich noch einmal.
Im Anschluss an diesen informativen Teil der Veranstaltung entwickelte sich eine Podiumsdiskussion mit dem Publikum. Dabei ging es um das Gehörte, aber auch um aktuelle Geschehnisse in Israel sowie um eine angemessene Erinnerungskultur. Die Jugendlichen wünschen sich eigentlich schon lange einen Stolperstein für Alfred Roßner vor seinem Elternhaus. Aber es gibt strenge Kriterien für das Anbringen von Stolpersteinen, die z.B. besagen, dass diese Steine nur vor dem letzten selbst frei gewählten Wohnsitz eines Menschen verlegt werden dürfen. Bei Roßner, der freiwillig nach Polen ging, war dieser nicht in Falkenstein.
Und so schlugen die Trützschler-Oberschüler vor, dass man doch vielleicht das Gedenken an Alfred Roßner mit dem Pflanzen eines Baumes in die Stadt holen könnte. Weit weg von Falkenstein, in Jerusalem, in der Allee der Gerechten der Gedenkstätte Yad Vashem, wächst bereits ein ihm gewidmeter Baum – so, wie für alle Gerechten unter den Völkern. Vielleicht könnte man ja diese Erinnerungsform auch in Falkenstein umsetzen. Bürgermeister Marco Siegemund und unser vogtländischer Landtagsabgeordneter Sören Voigt standen dieser Anregung aufgeschlossen gegenüber und Herr Voigt erklärte sich zur tatkräftigen Unterstützung der Idee bereit. Es wäre eine gute Sache, wenn das gelingen könnte! Etwas Geld für die Baum-Aktion kam in einer Spendendose der Trützschler-Oberschüler noch während dieser Veranstaltung zusammen.
Kommen wir zu einer weiteren Falkensteiner Aktion im Rahmen der jüdischen Kulturtage:
In unserer Stadt liegen inzwischen 20 Stolpersteine – davon 15 für ehemalige jüdische Einwohner sowie 5 für während der Zeit des Nationalsozialismus ermordete Antifaschisten. Diese Steine müssen regelmäßig gereinigt werden, um so auf den Gehwegen aufzufallen, dass man tatsächlich „mit den Augen darüber stolpert“ (denn nur so ist das Stolpern gedacht), innehält, vielleicht hinterfragt und an die dort verewigten Menschen denkt.
Am 9.11., dem Jahrestag der November-Pogrome von 1938, trafen sich auf Initiative von Frau Blechschmidt Jugendliche – Trützschler-Oberschüler und Konfirmanden – zum Putzen der Falkensteiner Stolpersteine. Nach einer kleinen Gedenkandacht mit Herrn Pfarrer Graubner gingen die Jugendlichen zusammen mit Bürgermeister Siegemund ans Werk und polierten die Stolpersteine blank, legten weiße Rosen nieder und stellten Kerzen auf – eine für jeden der Menschen, deren Namen und Schicksale nun wieder lesbarer sind. Im Talmud heißt es: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ So sorgt diese Form der Erinnerungskultur dafür, dass niemand vergessen wird und dass man beim Vorübergehen auch achtgibt auf das Gedenken an Menschen, die einst in Falkenstein ihre Heimat hatten. mawohl